Franz Christoph Schiermeyer | Home


links

Aphorismen 01 / 02 / 03 / 04 | Gedichte 01 / 02 | Haiku | Fotografie

rechts


 

"UNGEREIMTES IN VERSEN"

 

*

 
Das Ende

 

Ein Ende kam an seinen Schluss
und sprach: "Da ich bald sterben muss,

erfülle mir - ich bin so krank -
den letzten Wunsch! Und vielen Dank!"

So schrieb ich es, das war der Sinn
der Bitte wohl, hin als Beginn.

 

*

 

 

 

*

 
Die Nase

 

Die Nasenwurzel spricht:
"Fest sitzt die Nase im Gesicht
dank meiner Kraft und Stärke!
Und sie bewegt sich nicht!"

Da fängt die Nase an zu laufen
aus einem Nasenloch.
Und also spricht das Nasenbein:
"Und sie bewegt sich doch!"

 

*

 

 

 

*

 
Der große Preis

 

Ein Schwertransporter von iks Tonnen
hatte einen Preis gewonnen:

Vierzehn Tage Singapur
für zwei Schwertransporter. Nur

war er leider Junggeselle.
Darum gab man ihm anstelle

dieser Reise eine Uhr -
Die kam frisch aus Singapur.

 

*

 

 

 

*

 
Der Fluss

 

Es fließt der Fluss ins tiefe Meer
und hinter ihm fließt wieder er.

Er folgt sich selbst bei jedem Schritt
und auch dahinter fasst er Tritt.

Was vorne sich ins Meer ergießt,
gleich wieder aus der Quelle fließt,

um sich zwar immerfort zu gleichen,
jedoch - selbst kurz - nie zu erreichen . . .

Drum träume, Mensch,

dich nicht als Fluss:
Du träumtest dich als Sisyphus

und wärst bei deiner Wiederkehr
derselbe, der du warst vorher.

 

*

 

 

*

 
Das Streichholz

 

Im Wasserglas verebbt der Sturm,
das Huhn verweigert Korn und Wurm.

Auf seinem Fels der Pavian
hockt schweigend stumm
samt seinem Clan.

Betäubt liegt starr das Krokodil,
der Pfeil verharrt vor seinem Ziel.

An ihrem Stab die Wandermaus
steht tränenblind und stiert gradaus.

Der Baum entledigt Ast für Ast
sich seiner Blätter: "Welche Last ---!"

"Und welches Unglück!" fügt hinzu
das Loch in einem Seidenschuh...

Als Nachricht lastet auf dem Land:
"Das Streichholz ist heut’ abgebrannt!"

Die Kuh verhüllt ihr Haupt im Tal
und resümiert: "Es war einmal!"
 

*

 

 

 

*

 
Der Ganges

 

In Indien war ein Fakir.

Der suchte dort, seinem Klavier
ein deutsches Herbstlied abzuringen.

Das wollte ihm nicht recht gelingen
(aufgrund des ungewohnten Klanges).

Es wurde Herbst -
da plötzlich Ganges!
 

*

 

 

*

 
Der Eisberg

 

An einen Eisberg,
mächtig und alt,
hat sich in schneereicher Februarnacht
eine Eisbergin rangemacht -

Er blieb kalt.

Da hat sie ihm
- ihr Verlangen war heiß -
drunten im eiskalten Wasser gezeigt,
was sie dort alles angebaut:

Nichts als Eis!! -

Da ist er getaut.
 

*

 

 

*

 
Der fromme Elefant

 

Ein ursteinalter Elefant,
als Heide ringsherum bekannt,

sprach einst zu einem frommen Floh,
der ihn bekehren wollte, so

(zwei Schleiereulen im Talar
begleiteten den Missionar):

"Ich kann gewiss nicht richtig beten,
dafür jedoch sehr schön trompeten.

Und meine Beine - nun, ihr Eulen! -
erinnern an vier Kirchensäulen.

Aus Elfenbein sind meine Zähne,
was ich nur deswegen erwähne,

weil alles an mir, seid gewiss,
den Schöpfer lobt - selbst mein Gebiss!

Mit einem Wort, als Resümee:
Ein Elefant ist fromm per se!" ---

Der Floh, sehr fromm und mit Verstand,
sprach "Amen, Bruder!" und verschwand.

Die beiden Eulen im Talar
bekehrten bald ein Dromedar.

Der Elefant jedoch - er galt
seitdem nur noch als ursteinalt.

 

*

 

 

*

 

Das verschaukelte Schaukelpferd

 

Ein Schaukelpferd, weil falsch geritten,
teilt seinem Reiter bündig mit:
"So geht das nicht!" und fällt in Schritt.
Doch der hat alles abgestritten
und seinem Reittier vorgegaukelt:

"Ich ritt mit dir durch einen Wald,
der wuchs heraus aus dem Asphalt,
und Schlagloch grenzte dort an Löcher,
so groß wie --- und noch größer nöcher!!
Du weißt es doch, du warst dabei!" -

Dem Pferdchen ist es einerlei.
Es fühlt sich nach wie vor: verschaukelt.

 

*

 

 

*

 

Die Unentdeckten

 
In einem unentdeckten Land
(weil kein Entdecker es dort fand)
beschloss man, um entdeckt zu sterben
dereinst (mit Hinblick auf die Erben)
(das ganze Land war ja aus Sand),
sich um Entdeckung zu bewerben.

 

Die Frage war nur, wo und wie
(entdeckt worden war man ja nie!),
der Modus des Entdeckens war
infolgedessen nicht ganz klar
(Genügte es, wenn man laut schrie:
"Entdeckung!"? Gab´s ein Formular?).

 

Bei der Beratung dieser Frage
(sie dauerte zehn volle Tage)
hat ein Entdecker (gut versteckt)
(weil ringsherum mit Sand bedeckt)
die Unentdeckten (nach der Sage)
vermittels eines Blicks entdeckt.

 

Mit seinem Zeh hat er geschrieben
flugs in den Sand: "Es sind Stück sieben!
(Ich liege hier tief hingeduckt
und warte ab, bis einer guckt!)" --
Und dabei ist es dann geblieben.
(Und also steht nicht mehr gedruckt.)

 

*

 

 

*

 

Die Seine
 
Durch einen Wirbelsturm getrennt
wurde ein Paar Beine.

Er (das rechte), sie (das linke)
waren ganz alleine.

Das rechte suchte sie am Po,
das linke ihn am Rheine.

Schließlich fand er in Paris
ein linkes Bein - die Seine.

 

*

 

 

*

 

Der Pfingstochse

 
Ein Pfingstochse incognito
macht Urlaub in Neu-Mexico.

Doch was er vorher nicht bedacht:
Dort ist grad - "Schnauze!" - Stille Nacht.

Und weil den Gauchos er gefällt,
wird er dem Esel beigestellt

als Krippentier zu dem Behuf,
fromm dazustehn wie Gott ihn schuf...

Vorbei der Urlaub! Nichts mit Baden!
Schon wieder drin in allen Gnaden! ---

"Wer hat mich bloß", denkt er "erkannt?!"
Das Kindlein lächelt, hebt die Hand.

 

*

 

 

*

 


links

Aphorismen 01 / 02 / 03 / 04 | Gedichte 01 / 02 | Haiku | Fotografie

rechts


  

© F. Christoph Schiermeyer | Auf dem Heckerfeld 10 | 53578 Windhagen