VERSCHWIEGENER WUNSCH
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VERWÜNSCHTES SCHWEIGEN

Prosagedichte (Auswahl)
in alphabetischer
Reihenfolge, 1977 und 1982 mit teils
unterschiedlichem Inhalt im Eigenverlag
Andeutung
Es ist ein ganz anderer Weg
Es ist ein ganz anderes Leben
Es ist eine andere Art zu denken
Es ist eine andere Art zu fühlen
Es ist der Weg des Herzens
Und der Weg des Herzens ist friedvoll
Aufwartung
Mit fünfundzwanzig Pferden
wollte ich bei dir vorfahren
was gar nicht meine Art ist
Es sind nur vierundzwanzig
und eines lahmt - Das lass uns
pflegen und nachhause tragen
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Begegnung
Auf dem Weg zur Arbeit
fand ich einen Stein
Er war sehr schüchtern
und das machte mich verlegen
Nach einer Weile merkten wir
dass die Sonne uns beschien
Das löste unsere Spannung
und ich ging weiter
Besitz
Was ich sehe
gehört mir
Ich habe an
allem Anteil
Aber ich halte
es nicht fest
Und ich nehme
es nicht mit
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Blaue Stunde
Am schönsten
ist die Abenddämmerung
nicht wahr
wenn man überlegt
ob man schon
Licht anmachen soll
oder noch nicht
lieber noch nicht
es ist so still
so ruhig
Autos fahren vorbei
und Fenster werden
zugeschlagen
wenige und weit entfernt
doch drüben
ist schon alles
dunkel -
nicht wahr?
Blumenmädchen
Unter den Asphalt möchte
sie Löwenzahn streuen
In die Schaufenster möchte
sie Granatäpfel werfen
Die Häuser möchte
sie in Efeu ersticken
Die Tiefgaragen möchte
sie mit Pilzen bedecken
Vor die Autos möchte
sie Buchsbäume pflanzen
Und in die Gesichter
Klatschmohn
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Die Bäume
über die ich schreibe
gibt es nicht mehr
Ich schneide ihr Herz
in holzfreies Papier
und warte
auf Narben in Jahren
Ein glückliches
Paar
Mein linker Schuh
passt mir ebenso wenig
wie mein rechter
Ein glückliches
Paar -
meine Schuhe
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Etwas
Aus mir
wird nie etwas
Ich bleibe
lieber ich
Fabel von
der großen Falle
Die Mäuse
als sie das Stück Käse
gefressen hatten
bekamen es plötzlich
mit der Angst
würgten die Reste hervor
und liefen
um ihr Leben -
bis sie vor Erschöpfung
tot umfielen
Moral:
Nicht jede Falle schnappt zu
Vorsicht ist gut -
Ängstlichkeit Käse
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Für dich
Der Maler schenkt
seiner Geliebten ein Bild
der Sänger ein Lied
und der Bankangestellte
drei Nullstellen
vor dem Komma
Nur der Schneider
verwünscht seine
Fingerfertigkeit und mit
ihm der Dichter:
Beide wissen
dass Kleider und Wörter
das Schönste
nur verbergen
Darum ist auch
dieses Gedicht
für alle andern, nur nicht
für dich
Gespräch
Es redet mir einer
die Ohren voll
Ich verstehe nichts
mehr, ich höre
Ganz leer und
schon wie taub -
höre ich und
verstehe
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Hauptsache
Irgendwo
unterkommen
Irgendwas
unternehmen
Irgendwie
überlegen sein
Hauptsache:
drunter
und drüber
Kampfabsage
Ich könnte dich besiegen
Wenn ich mich mit allem auf dich werfe
Könnte ich dich besiegen
Aber ich will dich nicht besiegen
Und ich will nicht mit dir kämpfen
Ich möchte in deiner Nähe wohnen
Und an deinem Anblick mich freuen
Denn du hast mich längst besiegt
Ich bin in deiner Hand
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Lebensabend
Von dem Kind
das im Nachbargarten
Blindekuh spielt
habe ich noch die
Ururgroßmutter gekannt
Jene Oma Rieke
die zahnlos und in schwarzen
Frühlingskleidern schon
frühzeitig die Weisheit
der Steine angenommen hatte
die Gesprächigkeit des Flusses
und die Weitsichtigkeit
der fast Erblindeten
Da hockt sie nun
mit ihren prächtigen Zähnen
in ihren bunten Kleidern
und spielt schon wieder
Lebensabend
Macher
Der Schuhmacher
macht Schuhe
Der Hutmacher
macht Hüte
Der Uhrmacher
macht Uhren
Der Regenmacher
macht Regen
Nur der Macher
macht nichts
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Manchmal
erschrecke ich
wie wenig
ich dich kenne:
Wenn du geduldig
bist und stark
Oder lächelst
wie ein Kind
Dann stehe
ich beschämt
und wage:
nichts zu sagen
Nur eine
Frage
Angenommen
du seist
Schneewittchen
und ich wär
der Prinz -
Wer führte
uns dann
in ein neues
Märchen?
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Sonntagnachmittag
In der Sonne liegen
An nichts denken
Träumen vielleicht
Vielleicht auch nicht -
Morgen ist Dienstag
Standbild
Sie haben
dich
gut gekannt
So bist
du
gewesen -
Aus Stein
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Traum
"Komm wieder,
wenn du
wach bist"
sagte der Traum,
den ich
träumen wollte:
"Ich bin der
Traum
vom Wachsein"
Unterwegs
Wir waren mit dem Fahrrad unterwegs,
Und die Straße war steil.
Links und rechts standen Obstbäume,
Dazwischen Telegrafenmasten,
Und später dann Häuser.
Gegen Mittag machten wir Rast,
Wir aßen und tranken,
Und niemand
Wusste mehr genau zu sagen,
Ob wir die Straße heraufgekommen waren
Oder herab.
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Was ich wem wünsche
Den Juden
das Himmelreich
Den Indianern
das Paradies auf Erden
Den Moslems
das Nirwana
Den Christen
die ewigen Jagdgründe
Den Buddhisten
den siebten Himmel
Den Kommunisten
Abrahams Schoß
Und mir? -
Sie dort zu wissen.
Weitblick
Als der Mensch auftrat,
lernten die Vögel fliegen,
die Fische sprangen ins Meer
und das Mammut gab auf
Die Würmer verschwanden
unter die Erde -
Sie dachten
am weitesten
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